In Genf kämpfen Staaten um einen historischen UN-Plastikvertrag – doch am Verhandlungstisch sitzt die Öl- und Chemieindustrie in Übermacht. Eine neue Analyse enthüllt Zahlen, die den Einfluss der Lobbyisten in erschreckendem Ausmass belegen.
Industrie-Lobby übertrifft EU-Delegationen
Während Wissenschaft und Umweltschutzorganisationen um knappe Plätze kämpfen, rollt die petrochemische Industrie in Genf mit massiver Präsenz an: 234 registrierte Lobbyisten aus Öl- und Chemiekonzernen – das sind mehr als die gesamten 27 EU-Delegationen zusammen (233). Die Analyse stammt vom Center for International Environmental Law (CIEL), einer renommierten US-Umweltrechtsorganisation, die die offiziellen Teilnehmerlisten der Vereinten Nationen ausgewertet hat.
Besonders brisant: 19 Industrievertreter sitzen direkt in offiziellen Länderdelegationen – darunter Ägypten, Kasachstan, China, Iran, Chile und die Dominikanische Republik. Kritiker warnen, dass damit die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Verhandlungen massiv untergraben wird.
Warum die Zahlen alarmieren
Über 99 Prozent aller Kunststoffe werden aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Jede ernsthafte Regulierung müsste daher beim Ursprung ansetzen – bei der Förderung von Öl und Gas. Genau hier setzt die Lobbyarbeit an: Strenge Regeln für Produktion, Recycling und Plastikmüll zu verhindern, um das bisherige Geschäftsmodell zu sichern.
CIEL warnt: „Industrievertreter versuchen, den Text des Abkommens zu verwässern und wissenschaftliche Empfehlungen zu blockieren. Das Ziel: ein Vertrag ohne wirksame Beschränkungen für Produktion und Einsatz von Plastik.“
Forderung nach wissenschaftlich fundierten Entscheidungen
Umweltverbände wie die BreakFreeFromPlastic-Bewegung fordern, dass wissenschaftliche Erkenntnisse – nicht Industrieinteressen – die Grundlage des Abkommens bilden. Die Datenlage ist eindeutig: Ohne drastische Reduzierung der Produktion wird die globale Plastikverschmutzung weiter explodieren.
Die Verhandlungen in Genf sind der entscheidende fünfte und letzte Teil des Prozesses zur Erarbeitung eines rechtlich verbindlichen, globalen Plastikvertrags. Ein Scheitern würde bedeuten, dass die Plastikflut für Jahrzehnte ungebremst weiterwächst.
Zukunft des Abkommens steht auf der Kippe
Während Delegationen aus Entwicklungsländern auf finanzielle Unterstützung und Technologiezugang drängen, fordern Industriestaaten klare Produktionslimits. Doch der wachsende Einfluss der Lobbyisten droht, die ambitionierten Ziele zu untergraben.
Die Welt schaut nach Genf – ob die Diplomaten dem Druck der Öl- und Chemieindustrie standhalten, entscheidet über den Erfolg des Abkommens.